Museum
Flachsverarbeitung
Der Leinsamen wurde um den 100. Tag des Jahres (10. April) ausgesät. Nach mehrmaligen Jäten und ca. 100 Tagen - die blaue Blüte war vorüber - wurde der Flachs vor Erreichen der Reife mit der Hand ausgezogen. Jäten, Ernten und die aufwendige Weiterverarbeitung auf dem Hof war zumeist Frauen- und Kinderarbeit.
Mit einem Reff, einem eisernen Kamm mit bis zu 30 Zinken, wurden die Samenkapseln (Flachsknotten) der Flachspflanze abgezogen (Riffeln). Die getrockneten Kapseln wurden zu Saatgut oder Leinöl weiterverarbeitet. Die Stengel wurden gebündelt und zum Verrotten der holzigen Teile, dem sogenannten Rösten, einige Wochen im Freien in Wasser gelagert. Dem Trocknen an der Sonne folgte das Nachtrocknen im Backofen.
Die Stengen wurden sodann mit Treuten oder Treiten (Plowel), mit rechteckigen, an der Unterseite rillenförmig ausgearbeiteten Klopfhölzern weichgeklopft (geblowelt), um die durch das Rotten und Trocknen mürbe gewordenen Holz- und Strohteile noch stärker von den Fasern zu lösen.
Im nächsten Arbeitsgang, dem Racken oder Braken mit der Flachsbreche, einem hölzernen Gestell, auf dem sich mehrere parallel laufende angeschärfte Hölzer scherenartig zusammenschließen, wurde der Flachs solange durch die Breche geführt, bis die harten Pflanzenteile herausgebrochen und die Fasern weich waren. Ab den 20er Jahren unseres Jahrhunderts trat an die Stelle der Handbreche die Maschinenbreche. In ihr wurde der Flachs zwischen drei gekerbten Walzen solange vor- und zurückgedreht bis alle Holzteile zerbrochen waren.
Nach dem Braken folgte das Schwingen. Hierzu wurden die Fasern in die Auskerbung des Schwingstocks gelegt und unter ständigem Drehen mit dem am senkrecht stehenden Holzbrett hinuntersausenden Schwingmesser (Schwinge) solange bearbeitet, bis die letzten Holzteile herausgefallen waren.
Beim nun folgenden mehrmaligen Hecheln wurden durch die Benutzung unterschiedlich bestückter Hecheln - mit mehr oder weniger, enger oder weiter sitzenden, spitzen Eisenstiften im Hechelbusch - der Flachs weiter ausgefasert. Beim Grobhecheln wurden die kurzen Fasern ausgekämmt und die langen Fasern ausgerichtet. Beim anschließenden Feinhecheln - dazu wurde im Hechelbock das Hechelbrett ausgewechselt - mussten die letzten kurzen Fasern ausgekämmt werden und die langen Fasern wurden gesplissen, indem man die Faserbündel kräftig auf die Hechelspitzen schlug. Nun war der Flachs endgültig spinnfähig. Der beim Hecheln anfallende Abfall, Hede oder Werg genannt, wurde nachdem er zwischen den stets paarig benutzten Kratzern (s gekämmt worden war, zumeist zu Schußfäden versponnen, aber auch für die Herstellung von Sackleinwand und Seilen verwandt.
Vor dem Spinnen musste der Flachs oder die Hede auf dem Wokenstab (Rocken) des Spinnrades in dünnen, lockeren Schichten aufgewickelt werden. Zu Beginn des Spinnens wurde zunächst mit den Fingern gezwirnt und der Faden durch den Spindelkopf nach innen gezogen, über ein Häkchen der Spindel geführt und auf der Spule aufgewickelt. Der Faden läuft somit von der Woke durch die Spindel auf die Spule. Beim Antrieb durch das Pedal dreht sich, aufgrund der größeren Scheibe, die Spule schneller als die Spindel, wodurch sich der gespannte Faden, der seinen Drall durch die rotierende Spindel erhält, auf der Spule aufwickelt. Nunmehr bestand die Kunst der Spinnerin darin, die Fasern möglichst gleichmäßig vom Woken zum sich aufwickelnden Faden zu führen.
Wenn genügend Spulen vollgehaspelt waren, wurde das Garn mit der Haspel (Werfe) aufgehaspelt. Die meisten Haspeln verfügen über eine Zählvorrichtung, die angibt, wann nach 50 oder 60 Umdrehungen ein sogenanntes Bind voll ist. Sehr verbreitet war die Knackhaspel, die bei Erreichen der notwendigen Umdrehungen für ein Gebinde ein knackendes Geräusch von sich gab. Eine der Haspelkrücken ist an ihrem Ende durch ein Gelenk ab klappbar, um das aufgehaspelte Garn bzw. den Garnstrang abstreifen zu können. Das Garn wurde nunmehr, sofern es nicht gefärbt werden sollte, gewaschen und gebleicht.
Bevor nun mit dem eigentlichen Weben begonnen werden konnte, waren noch eine Reihe von Vorbereitungen zu treffen. Zuerst war das Kett- und Schussgarn aufzuspulen, d. h. das Garn musste auf entsprechende Spulen gebracht werden. Zu diesem Zweck streifte man den Garnstrang über die Garnwinde (Schrahn-Haspel) und spulte das Garn von dort mittels des Spulrades entweder auf die 20 - 30 cm langen Spulen für den Kettfaden oder auf die max. 8 -1 0 cm langen Spulen des Weberschiffchens (Schussgarn).
Um die notwendige Anzahl paralleler Fäden, die sog. Kette, die am Kettbaum des Webstuhls angebracht wird, zu erhalten, bediente man sich der Scherleiter (Spulleiter, Spulgatter) und des Scherrahmens (Warf oder Karussell. Dazu steckte man die großen Spulen mit dem Kettgarn in die Scherleiter und führte dann die Garnstränge zu dem drehbaren, an der Decke befestigten, Scherrahmen. Die Anfangsstücke der Fäden wurden, ohne die linken und rechten Fäden zu vermischen, an dem Anfangszapfen des Scherrahmens befestigt. Nunmehr wurde jeweils ein linker und ein rechter Faden gekreuzt und in der gewünschten Länge über die weiteren Zapfen des Scherrahmens gespannt. War die gewünschte Menge an Kettfäden erreicht, wurde die Kette gesichert, abgenommen und in lockeren Luftmaschen geschlungen.
Da die Bauern das Weben in den meisten Fällen nur als Nebenerwerb oder für den Eigenbedarf in den Wintermonaten betrieben, wurde der Webstuhl und der Scherrahmen alle Jahre wieder in der Wohnstube aufgestellt.
Die Funktionsteile des Webstuhls sind:
- der drehbare Garn- oder Kettbaum am hinteren Ende, auf den die Kettfäden aufgezogen wurden
- der drehbare Brustbaum vorne, zu dem die Kettfäden führen und auf dem das Webgut (Leinen) entsteht;
- der drehbare Leinenbaum schräg unterhalb des Brustbaumes, der das gewebte Leinen aufnimmt.
- die durch die Pedale bewegten zwei Schäfte (Hebebäume, Geschirr), durch die die Kettfäden laufen und die bei jedem Pedaltritt paarweise vertikal gegeneinander verschoben werden, wodurch das sogenannte Webfach, durch welches das Schiffchen fährt, zwischen Schäften, Kammlade und Brustbaum entsteht;
- der Webkamm (Kammlade), durch den ebenfalls die Fäden laufen und der nach jedem Schuß mit dem Schiffchen gegen das Leinen gedrückt wird, um den letzten Einschußfaden an das bereits gewebte Leinen anzupressen.
Das bereits gewebte Leinen muss darüber hinaus mit einem Spreizholz gespreizt werden, damit bei fortschreitendem Weben ein Engerwerden des Webstückes verhindert wird. Ist das Webstück auf dem Brustbaum zu weit in Richtung auf die Hebebäume gewachsen, werden die Arretierungen von Kett- und Leinenbaum gelöst, das Leinen aufgewickelt und die Kette nachgezogen. Danach kann weiter gewebt werden, bis die Schwarte (Sitzbank des Webers) kracht. Das gewebte Leinenstück wurde gewaschen und mit dem Klopfholz bearbeitet, um das Gewebe geschmeidig zu machen. Nach dem letzten Spülen und Klopfen kam das Leinen auf die Bleiche. Nach dem Trocknen wurde das Leinen gereckt, zusammengelegt und in der Truhe bis zum Gebrauch verwahrt.
Der Flachs war dann gerobbt, gerefft, geröst, gederrt, gebroche, geschwingt, gehechelt, gebänne, gespann, gehaspelt, gekocht, geworfe, gewoowe und gefarbt.