Entwicklungsgeschichte der Wasserburg und des Jagdschlosses

Die Wasserburg Friedewald wurde im 13. Jahrhundert als Nachfolgebau der »Drygenburg«, bei der es sich vermutlich um einen befestigten Bergfried handelte, erbaut. Die Ruine der Drygenburg, im Volksmund aufgrund der Mauerreste »Alter Keller« genannt, ist noch heute auf dem Dreienberg zu finden. Bei dem Paß zwischen Fulda und Werra, auf dem die Wasserburg errichtet wurde, handelt es sich um eine Wasserscheide, denn

»Es entspringen
zu besagtem Friedewald
im Dorft
zwey Wasser
unfern von einander
deren das eine gegen Abend
nach der Fulda;
das andere gegen Morgen
in die Werra fleust«

(Matthaeus Merian, 1655). 





Eine strategische Bedeutung erwuchs der Wasserburg aus ihrer Lage an dem Kreuzungspunkt der mittelalterlichen Heer- und Fernhandelsstraßen Nürnberg-Bremen und Frankfurt-Leipzig, die den Landrücken zwischen Fulda und Werra im Einzugsbereich der Burg kreuzten. Letztere Handelsstraße wurde im Gegensatz zur »Langen Hessen«, die weiter nördlich über Homberg und Eschwege verlief, als »Kurze Hessen« bezeichnet, da sie die Messestädte auf dem direkten Wege verband. Darüber hinaus ließ sich von der Burg aus das wildreiche Jagdgebiet des Seulingswaldes ideal erschließen. Auf Grund dieser Voraussetzungen, und um ihre Position gegenüber der Abtei Hersfeld und dem Bistum Fulda zu verbessern, dehnten die hessischen Landgrafen ihren Einfluß auf die Burg und somit auch auf die Region zuungunsten der Hersfelder Abtei aus. Die Landgrafen beanspruchten das Marktrecht und die Gerichtsbarkeit für die Burg, den Ort und das Amt Friedewald.
Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt aus dem Jahre 1302. In ihr belehnte der erste hessische Landgraf Heinrich I. - ein Enkel der Heiligen Elisabeth - den Simon von Landeck mit der Burg nebst einem Hof und einem Garten. Dies war die Keimzelle der späteren Ortschaft Friedewald. 1317 erwarben die Ritter Albert von Buchenau, Friedrich von Rumerode und Albert von Romrod die Hälfte der Burg »Vridwalt« zum Preis von 160 Pfund Fuldaer Pfennige. Landgraf Otto bestimmte, dass von der Kaufsumme 60 Pfund zur Instandhaltung und Wehrhaftigkeit der Burg zu verwenden seien. Das Amt Friedewald wurde 1372 und das Dorf Friedewald 1430 erstmals urkundlich genannt, und ab 1432 wurden die Amtsleute von Friedewald als Vögte bezeichnet.   


Bild: Modell der Wasserburg und des Wirtschaftshofes

Neben der Wasserburg findet sich etwas abseits das „Senghaus“. Der Wirtschaftshof wird von dem „Vogthaus“, der „Großen Scheune“ und dem "Neuen Marstall“ umrahmt. Außerhalb des Schloßareals, im Vordergrund, das Amtshaus.

Im Jahre 1476 beauftragte Landgraf Heinrich III., der laut einer Urkunde ab 1485 alleiniger Herr der Burg war, seinen Hofbaumeister Hans Jacob von Ettlingen mit dem Neubau der Burganlage. Gleichzeitig ernannte er ihn zum Amtsvogt von Friedewald. Hans Jacob von Ettlingen erbaute neben der Burg Friedewald in der näheren Umgebung noch die Burgen Herzberg, Hauneck und Ziegenhain.
In den folgenden Jahren wurde die hochmittelalterliche Burg, von der man außer einigen Fundamenten keine Baubefunde hat, fast vollständig niedergelegt und durch einen Neubau, der spätgotische Baumerkmale aufweist, ersetzt. Die so entstandene, allseitig von wassergefüllten Gräben umgebene Burg mit fast quadratischem Grundriß, vier runden Türmen sowie der stark befestigten Toranlage entsprach den militärischen Gegebenheiten des ausgehenden Mittelalters. Somit ist die Wasserburg Friedewald ein interessantes Beispiel des Festungsbaues des 15. Jahrhunderts.
Aus der Tatsache heraus, dass am »montag nach allerheilig tag« im Jahre 1489 der Würzburger Weihbischof Georg Antworter den »Alten Altar« der Burg sowie die Pfarrkirche und den Pfarrhof weihte, kann geschlossen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten weitgehendst abgeschlossen waren. In den folgenden Jahrzehnten hielten sich die hessischen Landgrafen, angelockt durch den reichen Wildbestand des Seulingswaldes, immer wieder in der Burg auf. Allerdings wurden auch politische Gespräche an diesem Ort geführt. So traf sich Landgraf Philipp der Großmütige 1530 als Vorbereitung zum Bündnis von Schmalkalden mit dem sächsischen Kurfürsten Johann dem Beständigen in Friedewald. Sein Sohn Landgraf Wilhelm IV. verhandelte 1551/52 in der Burg mit anderen Fürsten zur Vorbereitung eines Feldzuges, durch den die Befreiung seines Vaters Philipp aus der Gefangenschaft Kaiser Karl V. erreicht werden sollte. 1585 wurde Friedewald Oberamt mit dem Unteramt Heringen. Landgraf Wilhelm IV. zeichnet für den im ausgehenden 16.Jahrhundert in der Wasserburg vollzogenen Umbau des Palas verantwortlich.
Bei der Veränderung des großen Rittersaales, der durch ein Renaissanceportal zugänglich ist, wurde auf die Wehrfähigkeit der Anlage keine Rücksicht mehr genommen und fünf großformatige Fenster in die Außenwand gebrochen. Aus der ehemals wehrhaften Anlage war nun endgültig ein Jagdschloss geworden.
Unter Landgraf Moritz dem Gelehrten wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts die ebenfalls unter Wilhelm IV. im Jahre 1580 begonnenen Arbeiten an den Vorburgbauten abgeschlossen.

Der Wirtschaftshof wurde seitdem im Norden vom Vogthaus, im Süden vom Neuen Marstall (heute Museum) und im Westen von der Großen Scheune mit Meierei (Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen) begrenzt. Die noch heute im Mauerwerk befestigten Halseisen (Pranger) und die Elle deuten darauf hin, dass vor dem Vogthaus Markt abgehalten wurde. Außerhalb des Wirtschaftshofes erbaute man das Senghaus. Die ehemalige Wildküche diente zur Aufbereitung des Wildbrets. Mit der Errichtung des Dreischalenbrunnens mit seinen wasserspeienden Delphinen - vermutlich von dem Kasseler Hofbildhauer Wilhelm Vernukken - war die Gesamtanlage vollendet.

Im 30-jährigen Krieg 1618 (Prager Fenstersturz) bis 1648 (Westfälischer Frieden) wurde die Burg mehrmals erobert, diente nach Ausbesserungsarbeiten den Landgrafen aber weiterhin als beliebtes Jagdschloss. Noch 1655 beschrieb Matthaeus Merian in seinem Werk „Topographia Germaniae“ Friedewald wie folgt:

„Friedewald
ein Fürstlich Niederhessisches schönes Schloß
in einem der grössesten hessischen Wälde
ein Meyl von Herßfeld
und fast in dem Sullingswalde under dem Dreyenberge
welcher auch ziemlicher Höhe
und in seinem Umbkreiß fast dreyeckicht ist,

sampt dem Dorff
und den hohen Bergen nach zu rechnen
in einem Grunde
doch auff einer höhe
gelege. Ist ein altes steinernes
mit dicken Rundelen
und ziemlichen Wassergräben
versehenes Jagdhaus
in dessen Vorhof ein herzlicher Kumpff
und Springbrunnen
auch von so grossen Steinen
wie die Säulen zu Hirschfeld gehauen
stehet.“

(Matthaeus Merian, 1655)

 

1682 verlieh Landgraf Carl das Marktrecht an Friedewald und von 1715 bis 1737 war Pfarrer Carl Rudolph Tasics, der eine Fülle von historisch bedeutsamen Eintragungen im Kirchenbuch hinterließ, in der Gemeinde tätig. 1746 erbaute Giovanni Ghazi die bis dahin mehrmals abgebrannte Pfarrkirche, und im Jahre 1752 wurde durch den in Friedewald wohnenden Orgelbauer Johannes Schlottmann die Orgel installiert.


Bild: Dreischalenbrunnen
 

Nur zehn Jahre später erlebte die Ortschaft einen ihrer schwärzesten Tage. Im 7-jährigen Krieg 1756 bis 1763 (zweiter Schlesischer Krieg zwischen dem Preußenkönig Friedrich dem Großen auf der einen Seite und den im Bündnis mit der Österreichischen Kaiserin Maria Theresia kämpfenden Franzosen auf der anderen Seite) wechselten häufig die Besatzer der Burg:
So hielten 1759 Österreicher und nachfolgend Preußen und 1760 und 1762 Franzosen die Anlage besetzt. Während der im Jahre 1762 entbrannten Kämpfe hatten hessische und hannoveranische Einheiten den Auftrag die Nachschubwege der französischen Truppen, die vorrangig über die Fernhandelsstraßen Hessens liefen, zu stören. Da als Basis für solche Unternehmungen auch die Burg in Friedewald in Betracht kam, besetzte am 27. Juni 1762 Leutnant Heinrich Matthias Steigleder vom hannoveranischen Jägerregiment mit 50 Mann und 10 Reitern die nur einen Tag zuvor von französischen Truppen geräumte Wasserburg. Leutnant Steigleder scheint seine Aufgabe zufriedenstellend erfüllt zu haben, denn der französische General Graf Stainville wurde angewiesen, die Wasserburg zu erobern, um so die Nachschubwege zu sichern. 


 Am 6. August besetzte General Stainville in völliger Überschätzung der Besatzungstruppen mit 5000 Mann Infanterie, 3000 Mann leichter Kavallerie, 8 Geschützen und 2 Haubitzen die Höhen um den Ort und die Burg Friedewald. Die Aufforderung zur Übergabe der Burg wurde trotz der erdrückenden Übermacht abgelehnt und der nachfolgende Angriff bei großen Verlusten der Franzosen durch einen Ausfall der Jäger zurückgeschlagen. Um weitere Verluste zu vermeiden, ordnete Stainville die Beschießung der Burg an. Die Verteidiger trotzten noch einen Tag, mussten sich aber nach erheblichen Zerstörungen und einem Brand der Burg am 7. August den Angreifern ergeben. 
Nachdem General Stainville erkennen musste, wie klein die Schar der Verteidiger war, die seinen Truppen zwei Tage getrotzt hatten, gab er Leutnant Steigleder den Degen zurück und ließ die Jäger abziehen. Seine Truppen aber hatten ganze Arbeit geleistet und ließen eine eingeäscherte Burg zurück. Mit der Zerstörung der Burg war auch der Niedergang der Gemeinde Friedewald besiegelt, denn auch die Erneuerung des Marktrechtes durch Landgraf Friedrich 11. im Jahre 1766 brachte keinen Aufschwung mehr.
Während in den folgenden Jahrhunderten die Wasserburg in ihrer Verwüstung unberührt blieb und sich zu einer romantisch verwilderten und verwachsenen Ruine wandelte, wurden die den Hof rahmenden Gebäude anderen Nutzungen zugeführt. So befanden sich dort u. a. ab 1769 das Amtslokal des Justizbeamten, ab 1827 die Forstverwaltung, ab 1903 das Amtsgericht und nachfolgend ein Kinderheim sowie Wohnungen für Flüchtlinge.

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